Musik verbindet – Archiv

2015 bis 2020

Musik und Integration

Die Stiftung in.media.vitae foundation engagiert sich mit ihren Projektinitiativen schwerpunktmäßig im gesellschaftlichen Themenbereich der Integration von Flüchtlingen und Migranten durch bürgerschaftliches Engagement. Sprache, Kommunikation und Verstehen, sind Voraussetzung für jede Integration. Wenn die sprachlichen Fähigkeiten noch nicht vorhanden sind, so bieten gemeinsame Aktivitäten im Bereich Musik, Singen, Sport, Tanz und Bewegung gute Ansatzpunkte, um aufeinander zuzugehen und Fremdheit zu überbrücken. Musik eignet sich in besonders gutem Maße dazu.

So ist Musik eines der besten Mittel, um vom ersten Kontakt über den Spracherwerb bis zu reifer Kommunikation, Gemeinsamkeiten und zur Integration zu gelangen.

Gemeinsam Klänge und Rhythmen erleben, Sprache finden

Musik bietet, wie der Sport, besondere Möglichkeiten und Chancen menschlicher Begegnungen, Kommunikation und Integration. Instrumental-Musik ermöglicht Betätigung, Ausgleich sowie Ausdruck. Singen dient dazu der Sprachförderung ebenso wie der interkulturellen Verständigung.

Kinder, Jugendliche und Erwachsene über die Faszination zur Musik, mit ihren Rhythmen, Harmonien und Klängen zu erreichen, ist Schwerpunkt des Projektes. Die in.media.vitae foundation förderte das Projekt „Musik.integriert!“ der Musikpädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie, Department Fachdidaktiken. Studierende der Musikpädagogik unterstützen die Lehrkräfte im Musikunterricht der Übergangsklassen für Flüchtlinge oder Regelklassen an ausgewählten Schulen.

Im Rahmen der Kooperation entwickelte die in.media.vitae foundation für die entsprechenden Unterrichtsklassen eine begleitende Elternarbeit, um die Eltern aktiv mit in den Integrationsprozess einzubeziehen.

Musik integriert!

Vorbereitung und Ziel

In 2015 wurde in mehreren Gesprächen zwischen Herrn Alexander Hofmann und Professor Wolfgang Pfeiffer dessen Idee zu „Musik integriert“ aufgegriffen und die gemeinsame Projektentwicklung diskutiert. Im Februar und März 2016 wurde mit der Leitung, Lehrern und Elternbeirat an der Konrad-Groß-Schule in Nürnberg ein Projektstart erörtert.

„Musik integriert“ zielte darauf ab, Spracherwerb und Integration durch Musik zu verknüpfen. Der Musikunterricht wurde durch Differenzierungsangebote sowie begleitende Elternarbeit gefördert. Der Teil von „Musik.Integriert!“ in den Klassenzimmern mit den Schülern wurde dabei von den Studierenden der Muskpädagogik ausgeführt. Die Elternarbeit, gemeinsam Lehrern und Schulleitung wurde von der in.media.vitae foundation arrangiert.

Projektstart

Im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2015 / 2016 waren Studierende des Lehrstuhls Musikpädagogik an der Konrad-Groß-Schule tätig sowie weiteren Nürnberger Schulen. In der Konrad-Groß-Schule erfolgte dies parallel mit dem Musical-Projekt. Das Musical „Rotasia“, eine Parabel darüber, wie Fremde zusammenkommen und zusammenwachsen, wurde mit großem Erfolg von Frau Monika Hopp unter aktiver Unterstützung der Studierenden Nadja Marquardt und Sonja Nachtigall einstudiert.

Projektstelle „Projektsteuerung Musik.Integriert!“

Am Lehrstuhl Musikpädagogik wurde eine Doktorandenstelle „Projektsteuerung Musik.integriert!“ geschaffen und von der in.media.vitae foundation gefördert.

Musik mit Geflüchteten

Die Ideen, Ziele und Erfahrungen des Projekts „Musik.integriert!“ führt die Stiftung weiter im Projekt „Musizieren mit Geflüchteten“.

Projektbericht 2016-2020

In der Gemeinschaftsunterkunft Schafhofstraße arrangierte die in.media.vitae foundation von 2016 bis zur Schließung 2018 monatliche Musik-Abende. Dies wurde ermöglicht durch das Engagement des Stiftungsvorstandes, des Projektkoordinators und einer Gruppe des Helferkreises.

Ab Herbst 2017 folgte eine Serie von Musik-Abenden in der Gemeinschaftsunterkunft Rathsbergstraße und Ende 2019 eine erste Musik-Stunde in der Gemeinschaftsunterkunft Andernacher Straße.

Ein Ziel ist dabei, ergänzend zu den Angeboten des Helferkreises mit Offenen Treffen, Deutschstunden und Hausaufgabenbetreuung, ein abendliches Angebot zur Freizeitgestaltung zu schaffen zur Begegnung durch die Musik mit ebenso sprachlichen wie nichtsprachlichen Elementen. Ein weiteres Ziel ist, wechselseitiges Verständnis für orientalische, afrikanische und westliche Musik zu fördern.

  • Der Kanon „Bruder Jakob“ ist in vielen Sprachen bekannt, in deutscher, französischer und englischer Sprache oder weiteren sprachlichen Versionen. Wir verwenden das Lied gerne zu Beginn als Namenslied, in dem in der Gesangsrunde alle Mitwirkenden besungen werden: „Bruder Ali“ oder „Schwester Asam“. Hier werden alle Anwesenden angesprochen, haben und nehmen teil, und wir lernen uns mit unseren Namen kennen.
  • Weitere Kinderlieder und Kanons bieten einfache Melodien und Texte – und die Schulkinder singen selbstständig „Der Hase und der Igel“, „Heho, spann den Wagen an“ und andere Lieder. So ist es sehr schön, wenn die Schulkinder Lieder aus dem Schulunterricht mitbringen: „Wir wollen jetzt singen: „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“, und dann folgen die Verse mit allen Umlauten.
  • Beim Musik-Abend in der Rathsbergstraße sang ein kleiner Junge im Rollstuhl solo mit einer Choreografie das Lied „Wir sind anders“ von Robert Metcalf, das Vielheit und Diversität gut zum Ausdruck bringt: „Ich bin anders als du bist anders als er ist anders als sie. Sie ist anders als er ist anders als du bist anders als ich. Wir, wir, wir sind anders als ihr, ihr, ihr seid anders als wir. Na und? Das macht das Leben eben bunt!“
  • Jahreszeitliche Lieder kommen gut an: „Winter ade“, „Im Märzen der Bauer“, „Alle Vögel sind schon da“, „Es tönen die Lieder“ oder „Es geht ein‘ dunkle Wolk‘ herein“. Diese Lieder geben immer wieder Sprech-Anlässe zu beiderseitigen Erfahrungen. „Das Laub fällt von den Bäumen“: Ein Teilnehmer, der als Landschaftsgärtner-Helfer angestellt wurde, erzählt vom herbstlichen Baumschnitt, und wir üben den Wortschatz dazu.
  • „Heute hier, morgen dort“ erzählt von dem wandernden Musiker. „Über den Wolken“ spricht vom Reisen ohne Grenzen. „Die Gedanken sind frei“ singt von der Freiheit und ihren Beschränkungen, und wir sprechen über entsprechende persönliche Erfahrungen. Die Teilnehmer:innen singen mit, bringen sich und ihre eigenen Erfahrungen ein, fragen nach Textstellen und lernen mit uns zusammen.

Bei dem gemeinsamen Musizieren ist uns nicht nur wichtig, unser Liedgut in deutscher Sprache zu vermitteln mit dem Liederschatz, Texten, Wortschatz und Inhalten. Wir laden die Teilnehmer:innen ebenso dazu ein, ihre mitgebrachte Musik und ihre Lieder einzubringen. Dies findet stets sehr guten Anklang, ermöglicht den eigenen kulturellen Ausdruck der Geflüchteten wie den gemeinsamen kulturellen Austausch, vermittelt Anerkennung und Wertschätzung.

  • Das iranische Lied „Chuschhalo schado chandanam“ ist gut bekannt und findet in persischen Kreisen stets Anklang. Die Teilnehmer:innen freuen sich darüber, erläutern uns die Aussprache auf Persisch (Farsi) und vermitteln uns eine Choreografie zu dem Lied: „Ich bin fröhlich und habe Mut, lieb mein Leben, es will mir gut. Ich tanz und springe, lache und singe, in meinem Herz, da ist kein Schmerz.“
  • Das äthiopische Lied in amharischer Sprache, das unsere äthiopischen Teilnehmer:innen ebenfalls sehr berührt: „Ihr Kinder, Kinder hier! – Ere ligotsch“: „Ihr Kinder, Kinder hier! Nun sitzt nicht schlapp herum! Kommt alle her zu mir! Denn wer nicht spielt, bleibt dumm! Lasst tanzen, springen, freudig singen alle hier im Kreis! Lasst uns viel lachen, Faxen machen, dass es jeder weiß!“
  • So freuten sich die russisch-sprachigen Teilnehmerinnen über das bekannte Wiegenlied „Spyat ustalye igrushki“ von Zoya Petrova und Arkady Ostrowsky, das wir in der deutschen Textfassung von Alexander Jansen und musikalischen Bearbeitung von Julia Erche aufgreifen konnten: „Schlafe buntes Kinderzimmer“.

Sehr anregend waren Gespräche über persische Poesie mit Beispielen der Klassiker Rumi, Saadi und Hafis sowie Übersetzungen von Friedrich Rückert und Annemarie Schimmel. Dabei lernten wir unter anderem, dass im Iran Lyrik-Wettbewerbe auch im Fernsehen veranstaltet werden, an denen Kinder und Jugendliche ebenso engagiert teilnehmen wie hierzulande bei den entsprechenden Gesangs-Wettbewerben.

Auch bei den Hausfesten und Weihnachtsfeiern in den Gemeinschaftsunterkünften Schafhofstraße und Rathsbergstraße wurde fleißig musiziert. Bei der Weihnachtsfeier in Schafhof 2017 sangen wir deutsche Weihnachtslieder, und die iranischen Besucher sangen das persische Lied: „Ki ashkato pak mikone“ – „Wer würde deine Tränen abwischen?“ Dieses Lied erklingt traditionell bei den Familienfeiern zum „Fest der längsten Nacht“ am 21. Dezember. So konnten wir es zur Weihnachtsfeier in der Rathsbergstraße vorbereiten mit persischem Text, Lautschrift und deutscher Übersetzung.

In der Gemeinschaftsunterkunft Rathsbergstraße leitete zeitweise eine Aserbeidschanerin eine Kindertanzgruppe an, die anmutige Choreographien zu Weihnachtsliedern, Pop-Songs und orientalischen Weisen beitrug.

Eine erste Musik-Stunde konnten wir am 11. Dezember 2019 in der Gemeinschaftsunterkunft Andernacher Straße gestalten. Die Teilnahme in der Cafeteria des Hauses war überwältigend: 20 Erwachsene und 50 Kinder. Am 29. Januar 2020 ging es in einer kleineren Runde weiter mit der zweiten Musik-Stunde.

In der Corona-Zeit waren und sind bisher keine Veranstaltungen möglich. Wir hoffen darauf, das Programm bezeiten wieder aufnehmen zu können.

Zur Weiterentwicklung des Vorhabens „Musizieren mit Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften“ und zum fachlichen Austausch mit Kolleg:innen haben wir das Projekt eingetragen in das Informationsportal Musik und Integration des Deutschen Musik-Informationszentrums.

„In den Brennpunkten wie den ‚banlieues‘  im Norden von Marseille oder Paris, die es mittlerweile in fast allen großen französischen Städten gibt, wird durch die fehlende oder zu geringe Integration und deren Folgen auch Gewaltbereitschaft und Kriminalität begünstigt, welche die Spirale aus Isolation und Konfrontation mit den tradierten Bevölkerungsschichten weiter antreibt.

Wir sind in unserem Deutschland – wie fast alle westlichen Industrienationen – ein Zuwanderungsland und benötigen diese auch immer mehr für die Funktion und den Erhalt vieler unserer Sozial- und Sicherungssysteme. Migration ist ein nachhaltiger, wesentlicher Bestandteil unserer Epoche. Sie ist auch eine Chance zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und sollte aktiv gestaltet werden. Diese Situation trifft auf ausgesprochen viele hochentwickelte und heute leistungsfähige Länder zu. Viele dieser Länder haben eine langfristig ausgerichtete und erfolgreiche Einwanderungs- und Integrationspolitik entwickelt, die stark zum Wachstum und Erfolg dieser Gesellschaften beitragen.

Zur Vermeidung von kritischen Entwicklungen für die Gesellschaften aufgrund nicht bewältigter Migration und Integration, wie sie leider auch in vielen Gesellschaften zu verzeichnen sind, möchte die in.media.vitae foundation ihren kleinen Teil in ihrem Wirkungskreis zu dieser unseres Erachtens wichtigsten gemeinsamen Aufgabe unserer Gesellschaft beitragen.“